Die geplante Teillegalisierung von Cannabis sollte in der KW 50 im Bundestag beschlossen werden, um die gescheiterte Prohibition von Cannabis und damit die jahrzehntelange Kriminalisierung von Konsumenten zu beenden. Nachdem sich die Fachgremien der Koalition einigen konnten, blockieren nun jedoch innenpolitische Akteure der SPD das Gesetz (CanG).
Um in einem rechtlich sicheren Rahmen zu agieren, war zunächst geplant, Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz zu entfernen und den regulierten Anbau zu Hause sowie in Anbauclubs zu erlauben. In einem zweiten Schritt sollen Modellprojekte zur Abgabe in lizenzierten Geschäften eingeführt werden. Der Handel, das Mitführen von mehr als 25 Gramm in der Öffentlichkeit sowie die Weitergabe, vor allem an Jugendliche unter 18, bleiben weiterhin strafbar.
Auf die letzten Meter
Kurz vor der letzten Lesung des CanG (Cannabis-Gesetzes) im Bundestag, gibt es Widerstand von führenden Politikern der SPD-Fraktion. Besonders hervorzuheben ist Sebastian Fiedler, Bundestagsabgeordneter für Mülheim-Essen und Mitglied des Rechtsausschusses. Als ehemaliger Kriminalbeamter mit Schwerpunkt auf Wirtschaftskriminalität und Mitglied im Bund Deutscher Kriminalbeamter e.V. tritt dieser zwar vordergründig für eine progressive Drogenpolitik ein, verwehrt sich nun aber dem Fortschreiten des CanG.
Das Team der Versuchs- und Lehranstalt für Hanf versuchte erfolglos, von Herrn Fiedler und seinem Team eine Stellungnahme zu erhalten. Wir sehen uns somit veranlasst, auf seine Aussagen in verschiedenen Interviews aus der TAZ, dem Spiegel, der Welt und dem Stern zurückzugreifen.
Sebastian Fiedler fällt in allen Interviews zum Thema Cannabis durch das Fehlen konstruktiver Vorschläge zur Thematik oder zum CanG auf. Er behauptet, dass das Gesetz die organisierte Kriminalität nicht beeinträchtigen würde, ohne dies zu begründen. Auch äußert er wiederholt Bedenken zum Jugendschutz, scheint aber das komplette Fehlen eines Jugendschutzes unter der Prohibition zu ignorieren. Wir möchten daher auf einige seiner Argumente eingehen und erklären, wie diese bereits durch das CanG und die Fachgremien adressiert wurden.
Organisierte Kriminalität
Sebastian Fiedler, dessen Fachkenntnis vorrangig in der Wirtschaftskriminalität liegt, führt als eines seiner Hauptargumente an, dass das Gesetz keinen Einfluss auf die organisierte Kriminalität haben würde, was eine unzutreffende Einschätzung darstellt. Marcel Emmerich, Sprecher der Grünen im Innenausschuss, räumt ein, dass es unrealistisch wäre zu erwarten, dass das CanG die organisierte Kriminalität über Nacht beseitigt. Jedoch würde jedes Gramm Cannabis, das zu Hause angebaut oder durch legale, nicht gewinnorientierte Anbauvereine bezogen wird, nicht vom Schwarzmarkt erworben werden. Die Mehrheit der Konsumenten würde legale Bezugsquellen mit kontrollierter Qualität bevorzugen. Die Befürchtung, der Schwarzmarkt könnte mit niedrigeren Preisen konkurrieren, ist unbegründet. Dank der hohen Ertragsmengen in gut geführten Anbauvereinen könnten deutlich günstigere Preise erzielt werden.
Jeder Verein, der im Rahmen des Cannabisgesetzes entstehen würde, stünde anfangs vor der Entscheidung, entweder möglichst viele Arbeitsstellen zu schaffen oder einen möglichst günstigen Gramm-Preis anzubieten. Es ist eine Abwägung zwischen sozialer Verantwortung und Wettbewerbsfähigkeit, die letztendlich durch die Mitglieder des Vereins bestimmt wird. Einen Beitrag zur Reduzierung der organisierten Kriminalität leisten jedoch beide Modelle.
Kleinkriminalität
Fiedler äußert in diesem Zusammenhang auch, dass durch die im CanG vorgesehene Freigrenze von bis zu 25 Gramm Cannabis die Arbeit für Kleinkriminelle erleichtert werden könnte. Diese Kritik bezieht sich auf eine bisher bereits gängige Praxis, die auch nach der Verabschiedung des CanG illegal bleiben würde. Mit dem bedeutenden Vorteil, dass die große Anzahl der Konsumenten keine Angst mehr vor einer Kriminalisierung haben müsste, wodurch sich die Gesamtsituation entscheidend verbessern würde.
Die Sorge, dass Kleinkriminelle dann vorwiegend an Jugendliche verkaufen würden, ist eine reine Vermutung Fiedlers, die anhand der Zahlen der bereits legalisierten Welt wiederlegt wird. Der Konsum unter Jugendlichen bei Legalisierungen bleibt gleich oder geht zurück. Der wichtigste Beitrag für den Jugendschutz bleibt eine hochwertige personelle Aufklärung an Schulen sowie ein kompletter Bann für Werbung jeglicher Art.
Schadenspotential
Ein weiterer häufig diskutierter Aspekt betrifft die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf die Gesundheit. Bei einem Vergleich der potenziellen körperlichen und sozialen Schäden durch Cannabis mit denen von legalen Substanzen wie Alkohol oder Nikotin zeigt sich, dass Cannabis im Vergleich, insbesondere zu Alkohol und gerade bei moderatem Konsum deutlich weniger schädlich ist. Dieses Argument spricht aber natürlich nicht unmittelbar für die Legalisierung von Cannabis, sondern könnte eher ein Verbot von Alkohol nahelegen. Da ein Alkoholverbot, wie bereits in den 1930er Jahren beobachtet, jedoch unrealistisch ist, erscheint eine Angleichung der Gesetzgebung deutlich sinnvoller.
Probleme, die häufig mit Cannabis in Verbindung gebracht werden, wie problematischer und chronischer Konsum sowie der Schaden durch verunreinigte Produkte, könnten durch Hilfsangebote und eine Qualitätssicherung im regulierten Markt effektiver angegangen werden, als es unter der Prohibition mit der damit einhergehenden Stigmatisierung der Konsumenten der Fall ist.
Es ist auch auffällig, dass Gegner der Legalisierung oft davon ausgehen, durch eine Entkriminalisierung würde ein neuer Markt für Cannabis geschaffen oder "ein neues Fass aufgemacht", was eine fehlerhafte Annahme ist. Tatsächlich existiert dieser Markt mit seinen Konsumenten bereits und generiert jährlich mehrere Milliarden Euro. Nach einer Einschätzung von Kilian Bohn, dem Gründer der Versuchs- und Lehranstalt für Hanf, werden pro Bundesbürger und Monat ungefähr 4 Euro für Cannabis ausgegeben, was in etwa einem Jahresumsatz von 4 Milliarden Euro entspricht. Dieses Geld fließt bisher größtenteils in die Hände der organisierten Kriminalität. Mit der Entkriminalisierung ist es erstmals möglich diesen Markt zu regulieren.
Ein letztes Aufbegehren
Sebastian Fiedler steht nicht allein in seiner Opposition gegen das CanG kurz vor der geplanten Entkriminalisierung. Er erhält Rückhalt innerhalb der SPD sowie von Vertretern aus der Pharmabranche, der Polizei und der Ärzteschaft. Diese Gruppen scheinen die momentan angespannte Haushaltssituation als Gelegenheit zu nutzen, um ihre Ablehnung des CanG zu bekräftigen. Auffällig ist auch, dass selbst Pharmaunternehmen, die Cannabis produzieren und importieren, sich unter dem Vorwand der Qualitätssicherung gegen Anbauclubs aussprechen. Diese Haltung scheint jedoch eher von der Sorge um potenzielle Einbußen bei den Einnahmen motiviert zu sein.
Es bleibt festzuhalten, dass konservative Strömungen mehrheitlich an einer gescheiterten Prohibition festhalten möchten. Aus welcher Motivation heraus, lässt sich hier nicht vollständig beantworten. Zwar sprechen sich auch Befürworter für eine Verbesserung des CanG aus, halten jedoch überwiegend geeinigt an der bisherigen Lösung fest.
Keine Argumente und unangemessene Vergleiche
Zum Abschluss sei angemerkt, dass die aktuelle Debatte zwischen Gegnern und Befürwortern einer Legalisierung vermutlich keine wesentlichen Änderungen am CanG mehr bewirken wird. Für die SPD wird es nun entscheidend sein, die internen Widerstände zu überwinden und das CanG auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen.
Die Beweggründe von Sebastian Fiedler sind schwer aus stichhaltigen Argumenten und echten Sorgen abzuleiten. Politisches Kalkül kann hierbei nur vermutet werden. Seine Darstellungen in Interviews und Diskussionsforen präsentieren oft Realitäten, die nicht existieren, wie auch ein kürzlich auf Twitter geführtes Streitgespräch zwischen einem Nutzer und Sebastian Fiedler zeigt.
Dieser von Fiedler gebrachte Vergleich von Kinderpornografie und der Entkriminalisierung von Cannabis ist aus mehreren Gründen höchst problematisch und unangemessen. Erstens sind die Themen moralisch und rechtlich unterschiedlich gravierend: Kinderpornografie ist ein schweres Verbrechen mit direktem Schaden an Minderjährigen, während Cannabis-Konsum eine persönliche Entscheidung betrifft. Zweitens führt dieser Vergleich zu einer sachlichen Irreführung, da er die realen Unterschiede zwischen beiden Themen ignoriert und die Debatte emotionalisiert. Drittens kann der Vergleich als Verharmlosung des schweren Verbrechens der Kinderpornografie angesehen werden. Insgesamt ist Fiedlers Vergleich nicht nur sachlich falsch, sondern auch ethisch bedenklich und zielt eher auf Emotionalisierung als auf eine sachliche Diskussion ab.
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